Dies ist ein persönlicher Bericht über die Demonstrationen in Prag zu IWF/Weltbank am Dienstag von einem Mitglied des Workers Solidarity Movement, der nahe an der Spitze der anarchistischen (blauen) Sektion in der Demo mitging.
Dies ist ein persönlicher Bericht über die Demonstrationen in Prag zu IWF/Weltbank am Dienstag von einem Mitglied des Workers Solidarity Movement, der nahe an der Spitze der anarchistischen (blauen) Sektion in der Demo mitging.
Irischer Augenzeugenbericht über die S 26 Demonstration in Prag
Dies ist ein persönlicher Bericht über die Demonstrationen in Prag zu IWF/Weltbank am Dienstag von einem Mitglied des Workers Solidarity Movement, der nahe an der Spitze der anarchistischen (blauen) Sektion in der Demo mitging.
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Der Demozug formierte sich ungefähr 2 km vom Kongreßzentrum entfernt auf einem Platz in der Stadtmitte von Prag. Ein Treffen im Versammlungszentrum (einer großen Industrieanlage in einem Vorort) mit etwa 3.000 Leuten hatte am Nachmittag vorher stattgefunden, um den Plan der Blockade des Kongresses zu diskutieren. Die tschechischen OrganisatorInnen der Demonstration (INPEG) hatten entschieden, die Delegierten ins Konferenzzentrum zu lassen und es dann zu blockieren, um sie am Verlassen des Zentrums zu hindern.
This is a translation of the first version of my account, a later and much better version in English can be found here, there is also a French translation of the later version.
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Es wurde aber bei diesem Treffen deutlich, daß es keinen Plan dafür gab, die U-Bahnstation zu schließen, die innerhalb des Polizeikordons liegen würde. Es war offensichtlich, daß die Delegierten auf diesem Weg herein- und herausgebracht würden (und tatsächlich haben die Medien berichtet, daß sie so herausgebracht wurden). Die geplante Blockade würde so wirkungslos bleiben, aber die Reaktion der INPEG zu Fragen über die U-Bahn war, wir könnten diese nicht blockieren, weil die normalen BürgerInnen die U-Bahn bräuchten.
Dies führte zu einem Treffen der AnarchistInnen am selben Abend, außer dem Treffen des Blauen Blocks (siehe weiter unten). Dieses Treffen beschloß, daß wir uns an die Spitze des Blauen Blocks setzen würden und nicht am verabredeten Blockadepunkt halt machen (da wären wir in einer gefährdeten Position zwischen dem Fluß und Klippen gewesen), sondern wir würden so weit in Richtung Kongreßzentrum vorgehen, wie es ginge, und dann versuchen, gewaltlos durch die Polizeilinien durchzubrechen. Napoleon hat mal gesagt, ein Schlachtplan besteht nur bis zum ersten Kontakt mit dem Feind – das wird später im Text deutlich.
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An der Spitze des Gelben Blocks sollte die italienische Gruppe "Ya Basta" sein, die 24 Stunden an der Grenze aufgehalten worden war, als die Polizei vier von ihnen an der Einreise hindern wollte, weil sie auf einer FBI- Liste der Leute standen, die an der Demonstration in Seattle teilgenommen hatten. Die 1.000 Leute erklärten sich mit ihnen solidarisch und sagten, entweder kommen wir alle rein oder wir bleiben alle hier und verbarrikadieren die Bahnstrecke. Die Grenzpolizei mußte nachgeben und am späten Montagabend traf "Ya Basta" ein.
Wie der anarchistische Block waren auch sie bereit zu versuchen, die Polizeilinien zu durchbrechen. Sie hatten sich vorbereitet und 30 gepolsterte Outfits und Helme mitgebracht, für diejenigen ganz vorne, die die Schläge der Polizei aushalten müßten.
Es gab drei Hauptblocks: blau, gelb und rosa, und jeder hatte verschiedene Zugänge zum Konferenzzentrum zu blockieren. Das Zentrum selbst liegt auf einem steilen Hügel über der Stadt und war wegen steiler Abhänge von den meisten Seiten unerreichbar. Zusätzlich wußten wir, daß uns 11.000 Polizisten mit schwerer Ausrüstung, Hunden, Blitzgranaten, Tränengas und Wasserwerfern gegenüberstehen würden.
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Sowohl der Gelbe wie der Blaue Block wurden von Gruppen angeführt, die erklärt hatten, sie hätten die Absicht, die Polizeilinien zu durchbrechen. Der Rosa Block hatte den längsten Weg, aber einen sehr viel einfacheren Zugang zum Zentrum, und da waren offensichtlich die PazifistInnen mit dabei sowie das Gros der leninistischen Parteien…
Als wir uns auf dem Platz versammelten, war es offensichtlich, daß die erhofften über 20.000 DemonstrantInnen nicht zustandegekommen waren, aber wir hatten immerhin so bei 12.000 (ich habe mich sehr um genaue Zahlen bemüht; die Berichte in den bürgerlichen Medien schwanken zwischen 15.000 und 5.000 TeilnehmerInnen). An der Spitze der Demo sollte der Rosa Block sein, danach folgte der Gelbe und zum Schluß der Blaue Block. Wenn wir den ersten Punkt erreichten, sollte der Hauptzug weitergehen und der Blaue Block sollte sich abtrennen und in Richtung des Konferenzzentrumgeländes am Fluß gehen. Später sollte nach derselben Taktik der Gelbe Block sich abtrennen und eine andere Strecke zum Zentrum nehmen und der Rosa Block sollte zur Rückseite des Zentrums weitergehen.
Ich hatte mich entschieden, im anarchistischen Block mitzugehen, der an der Spitze des Blauen Blocks war und tatsächlich den größten Teil der Personen in diesem Block ausmachte. Die Spitze wurde von den tschechischen AnarchistInnen gebildet, danach folgten AnarchistInnen aus anderen osteuropäischen Ländern, insgesamt vielleicht 1000 Personen. Hinter den osteuropäischen AnarchistInnen kamen die AnarchistInnen aus allen westeuropäischen Ländern und eine große Anzahl von Autonomen aus Deutschland. Dieser anarchistische Block umfaßte vielleicht 3.000 Leute, es können aber auch 5.000 gewesen sein. Eine genaue Schätzung ist schwierig, weil ich von vorne aus nie das Ende des Blocks sehen konnte, und Leute zu zählen, die in dichtgedrängter Formation sind (siehe unten), ist schwierig. Es kamen noch viele hinter dem anarchistischen Block und wenigstens tausend AnarchistInnen hatten sich dafür entschieden, bei ihren Affinitätsgruppen in anderen Blocks zu bleiben. Diese letzte Zahl könnte auch noch höher liegen und ist nur eine Schätzung anhand der anarchistischen Fahnen, Anstecker und anderer Gegenstände wie Kleidung, die ich in den anderen Sektionen sah.
An der Spitze der blauen Sektion sollten wir in dichten Reihen untergehakt gehen, mit den Transparenten vorne über die ganze Reihe quer über die Straße und an den Seiten des Zuges. Die Mehrheit der TeilnehmerInnen war maskiert, um unerkannt zu bleiben und etwas Schutz vor Tränengas zu haben Diejenigen ganz vorne trugen auch Helme und viele hatten Gasmasken. Sechs oder sieben Reihen dahinter kam ein Saniteam, die auch Helme und Gasmasken hatten, da wir erwarteten, daß die Polizei die gut sichtbaren Roten Kreuze auf ihren Taschen nicht respektieren würde.
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Ich hatte mich entschieden, unmaskiert zu bleiben und mit allen Journalisten zu sprechen, die Interviews darüber haben wollten, warum wir diese Demonstration machten – und klarstellen, daß ich nur meine Meinung zum Ausdruck bringen würde, weil wir keine PressesprecherInnen hatten. Ich hatte beim Gegengipfel am Wochenende gesprochen und so schien es der sinnvollste Beitrag zur Debatte. Das heißt auch, daß ich über die Ereignisse mir mehr Sicherheit berichten kann als die aktiveren TeilnehmerInnen.
Am Tag verteilten WSM und andere anarchistische Gruppen auch 5000 Ausgaben einer internationalen anarchistischen Erklärung von mehreren anarchistischen Gruppen aus der ganzen Welt. Diese beschrieb, warum wir an den Prager Aktionen teilnehmen bzw. diese unterstützen und welche Alternativen es für uns gäbe. Der volle Text dieser Erklärung, der auf einem viersprachigen Flugblatt wiedergegeben war (darunter Tschechisch) ist zu finden bei: http://flag.blackened.net/revolt/inter/s26.html
Eine Randbemerkung: viele der leninistischen Parteien waren mit roten Fahnen mit Hammer und Sichel angereist. Die tschechischen Medien druckten an dem Tag Fotos von ihnen, weil diese Fahnen, die mit der sowjetischen Besatzung und dem alten Regime assoziiert werden, wenig beliebt sind. Als sich der Gelbe Block vor uns formierte, begrüßten die osteuropäischen AnarchistInnen jede rote Fahne mit einem Sprechchor, der offenbar so was wie "Bolschewismus ist Faschismus" bedeutete. Ich habe nicht mitgemacht, weil abgesehen von der Schwierigkeit, eine Parole in einer unbekannten Sprache zu rufen, meine ich nicht, das die Gleichung richtig ist, selbst wenn sie im osteuropäischen Kontext eine verständliche Reaktion ist.
Als der Marsch sich in Bewegung gesetzt hatte, rief unser Block ein breites Spektrum von Slogans, viele davon auf Tschechisch, aber auch auf Englisch, Französich und Spanisch. Die beliebtesten waren der von der "internationalen Solidarität", "smash, smash, smash the IMF" und "no pasaran". Es war ein tolles Gefühl, Teil dieses großen Blocks von AnarchistInnen zu sein, mit Leuten aus allen Ecken Europas und darüber hinaus und auf eine – wie uns bewußt war – harte Konfrontation mit der Polizei zuzumarschieren.
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Die Taktik, das einzelne Blocks sich hinten vom Zug lösen sollten, funktionierte wunderbar und überraschte Polizei und Medien, die sich an der Spitze des Demozuges drängelten. Von hier bis zum Konferenzzentrum waren wir völlig unbegleitet durch Polizei und Presse und wir gingen ins Tal unterhalb des Konferenzzentrums hinunter. Als wir uns getrennt hatten, rannten wir eine Strecke und wurden dann wieder langsamer, damit der Block nicht getrennt wurde, und versuchten, so nahe wie möglich an den IWF heranzukommen, bevor die Polizei reagieren konnte. Insbesondere waren wir besorgt, daß sie uns unten im Tal einkesseln könnten, wo wir durch einen Tunnel unter einer Eisenbahnstrecke mußten.
Die Polizei bekam es aber nicht auf die Reihe und wir kamen näher und näher an das IWF-Gebäude heran. Schließlich standen wir am Fuß eines steilen Hügels und in 300 Meter Entfernung konnten wir oben die Riot- Bullen hinter einem Zaun sehen. An der rechten Seite war ein vierstöckiges Gebäude an der Straße, an der linken Seite lag ein Park, dessen breiterer Teil oben auf dem Hügel endete. Wir rückten schnell den Hügel hinauf vor und hielten etwa 30 Meter vor der wartenden Polizeikette an. Hier warteten wir eine Minute, damit alle sich formieren und die Transparente an den Seiten des Demozugs entfernt werden konnten. An diesem Punkt zogen sich die NichtkombattantInnen (darunter ich) in den Park zurück. Dann rückte die Spitze vor.
Während der nächsten Minuten warf sich Kette nach Kette gegen die Schilde, wich dann zur Seite aus und machte der nächsten Kette Platz. Die Mauer aus Schilden fing an zu bröckeln und gab dann nach und die DemonstrantInnen brachen durch, keine 100 Meter vom Zentrum entfernt. Die Polizei ließ einen Wasserwerfer auffahren und der erste Hagel von Blitzgranaten detonnierte zwischen den ersten Reihen der DemonstrantInnen. Dann griff die Polizei mit Schlagstöcken diejenigen an, die zum schnellen Rückzug den Zaun erklettert hatten, damit sie nicht in die Falle gerieten.
Als der Schlagstockangriff am Zaun angekommen war, wurde die Polizei mit einem Hagel von Pflastersteinen von den mit Stöcken bewaffneten und durch Helme geschützten DemonstrantInnen zurückgetrieben. Andere DemonstrantInnen rückten durch den Park vor und fingen an, die Mauer zu erklettern, die dem Zentrum am nächsten lag oder die Türen in der Mauer zu überwinden. Andere BeobachterInnen sagten, daß einige von ihnen Erfolg hatten und bis auf 50 m an den IWF herankamen, bevor die Polizei sie zurücktrieb.
In der Zwischenzeit führten die AnarchistInnen auf dem Hügel eine wütende Schlacht. Die Polizei feuerte unablässig Tränengas und Blitzgranaten in die Menge unter ihnen. Der Wasserwerfer deckte unaufhörlich von links nach rechts die ersten Reihen ein. Vom Park oberhalb der Straße konnte ich sehen, daß eine Person mit einer großen anarchistischen Fahne mitten in einer Reihe war, schon völlig naß und vom Tränengas eingenebelt, aber durchhielt. Ein zweiter massiver Angriff begann, der wiederum die Polizei zurücktrieb, bevor die Polizei sie nochmals zurückwarf und mit der Unterstützung von zwei gepanzerten Mannschaftsfahrzeugen zum Gegenangriff überging. Ein halbes Dutzende Molotowcocktails wurde in die Polizeiketten geworfen, so daß sie erstmal anhielten, aber das hatte keine weitere Wirkung, da sie offensichtlich feuerfeste Bekleidung trugen.
Eine Pattsituation entwickelte sich am Zaun, bei der die Polizei jedesmal von stockschwingenden DemonstrantInnen und einem Hagel der nun reichlich vorhandenen Pflastersteine zurückgetrieben wurde, wenn sie versuchte, vorzurücken. Unablässig regnete es Blitzgranaten und Tränengas und der Lärm machte es offenbar unmöglich, weiterhin die Reden im Zentrum verfolgen zu können. Die Schlacht am Zaun ging weiter und mehr und mehr DemonstrantInnen kamen ans Ende des Blocks, um Verletzungen behandeln zu lassen oder brauchten Hilfe wegen des Tränengases. Vorne war zu sehen, daß DemonstrantInnen erbeutete Polizeihelme trugen und erbeutete Polizeischilde und Schlagstöcke hielten.
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Dies ist der 2. Teil eines persönlichen Berichtes über die Demonstrationen zur Stillegung von IWF/Weltbank am Dienstag in Prag von einem Mitglied des Workers Solidarity Movement [irische anarchistische Organisation – Anm. d. Ü.], der nahe an der Spite des anarchistischen (blauen) Sektion der Demonstration mitging. Teil 1 befindet sich unter http://flag.blackened.net/revolt/wsm/news/2000/prague_sept.html [dabei handelt es sich um die englische Originalfassung – die deutsche Übersetzung des 1. Teils befindet sich unter http://www.ainfos.ca/de/ainfos00920.html – Anm. d. Ü.]
Anmerkung: Ich beabsichtige, den Text des 1. Teils zu überarbeiten, um zusätzliche Details zu berücksichtigen, an die ich mich erinnerte, nachdem ich andere Berichte gelesen und Photos betrachtet hatte. Ich werde auch Photos vom blauen Abschnitt von den Indymedia Seiten hinzufügen und sie jeweils mit einem Kommentar versehen. Die Verzögerung beim Erscheinen dieses Teils ist darauf zurückzuführen, daß ich, als ich von der Gewalt in den Gefängnissen erfuhr, der Arbeit hierzu Priorität einräumte.
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Inzwischen hatte irgendwo vor uns die Spitze der Gelben Blocks die Polizeiketten erreicht. Das italienische ‘Ya Basta!’-Kollektiv, das den Block anführte, war darauf vorbereited, sich mit Körperpolsterung ausgerüsted durch die Polizeikeitten zu drängen. Es befinden sich reichlich Berichte hierüber an anderen Stellen. Der andere wirkliche Versuch, die Polizeiketten zu durchdringen, wurde vom ‘rosa und silbernen’ Block durchgeführt, der zwar zahlenmäßig klein war, dem es aber dennoch bei mindestens einer Gelegenheit gelang, die Polizei zu überraschen und ihre Reihen zu durchbrechen. Der Rosa Block, der den Platz als erster verlassen hatte, scheint keinen Versuch unternommen zu haben, durchzubrechen – die meisten leninistischen Gruppen liefen hier mit, vermutlich weil sie hofften, ihre Transparente würden in die Presseberichterstattung kommen, wenn sie im ersten Abschnitt der Demonstration mitgingen. Dieser Abschnitt war wahrscheinlich schwächer als vorgesehen, da die leninistischen ‘Internationalen Sozialisten’ auf den Planungstreffen falsche Angaben zur Anzahl der Leute gemacht hatten, die sie mitbringen würden. Sie versicherten, mit 2.500 Personen zum Rosa Block beizusteuern, hatten am Tag aber tatsächlich nur 1.000, was dazu beigetragen haben mag, daß der Blaue Block Verstärkung zu ihnen schicken mußte (siehe unten).
Im Blauen Block kam es auf der Spitze des Hügels zu einer wütenden Pattsituation. Einige DemonstrantInnen suchten sich einen Weg, um die schmale Front der Riot-Polizei zu umgehen, indem sie durch dichtgepflanzte Pinien gingen, die von dort die Mauer des Parks entlang führten. Sie wurden jedoch herausgetrieben als Salven von Blendschockgranaten und Tränengas aus nächster Nähe in die Bäume geschossen wurden. Anscheinend gelang es aber etwas weiter vorne im Park einer Gruppe von ungefähr 100 Personen, eine Tür in der Mauer einzutreten und so als erste in die 50 m Zone um das Zentrum vorzustoßen, ehe sie von Riotpolizei mit Hunden zurückgetrieben wurde.
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Auf der linken Seite dauerte der Frontalangriff auf die Polizeiketten weiter an, kam jedoch wegen des Wasserwerfers nicht voran. Immer mehr Leute strömten mit Verletzungen zurück. Eine Lücke öffnete sich zwischen den Linien der Riotpolizei und den DemonstrantInnen, als diese sich bemühten, knapp außer Reichweite des Wasserwerfers zu bleiben, wobei sie gelegentlich vorstürmten, um Salven von Pflastersteinen loszuwerden oder mit Farbbomben auf die Windschutzscheibe des Wasserwerfers zu zielen, um ihn zu blenden.
Die Riotpolizei rückte in diese Lücke vor und der Wasserwerfer rückte hinter ihnen zentimeterweise nach, wodurch eine weitere Lücke frei wurde, die von weiteren RiotpolizistInnen aufgefüllt wurde. Schließlich waren genügend durchgekommen, so daß sie ihren ersten Großangriff an diesem Tag gegen die Menschen im Park (die in jedem Fall eher zuschauten als teilnahmen) wagen konnten. Da dies erwartet wurde, fielen die meisten Leute in einen hastigen Rückzug zum hinteren Teil des Parks ein um dann eine ziemlich gefährliche Kletterei an einem mit Bäumen bewachsenen Abhang vorzunehmen. Dabei wurde versucht, den Baum unter einem zu nutzen, um den Abstieg zu bremsen, ohne mit der Person zusammenzustossen, die gerade auf ähnliche Weise losgesprungen war.
An diesem Punkt kehrte ich zur Kreuzung in der Mitte des Tals zurück, wo ich feststellte, daß einige hundert RiotpolizistInnen sich auf der anderen Seite der Straße formiert hatten. [Ich werde hier eine Karte einfügen, sobald ich Zeit habe]. Während um die Ecke auf der Straße, die den Hügel hinauf führte, noch die Schlacht tobte, blieb ich auf der Kreuzung darunter und beobachtete, wie sich die Ereignisse dort entfalteten.
Anfangs war das einzige, was sich vor dieser zweiten Einheit von RiotpolizistInnen befand, rund 100 Leute, die auf der Straße saßen. Die Gefahr, daß diejenigen, die noch auf dem Hügel kämpften, bei einem Angriff der Polizei abgeschnitten würden, war offensichtlich. Einige DemonstrantInnen fingen an, Schilder und Bäume im Park niederzureißen und eine Barrikade vor den SitzblockiererInnen zu errichten. Währenddessen standen andere in einer Reihe der Riotpolizei gegenüber, jedoch ohne sich auf sie zuzubewegen.
Währenddessen war auf den Gleisen, die parallel zum Park verliefen und tatsächlich eine Mauer an dessen Seite in der Mitte des Tals bildeten, ein Betonzug angekommen. Dieser wurd irgendwie angehalten und einige DemonstrantInnen kletterten auf den Zug und entkuppelten die Anhänger, wodruch praktisch eine Seite der Gleise blockiert wurde.
This map gives an approximation of the route I took (Black line with arrows). We arrived at the top left side of the map and advanced up the hill to the centre left Blue box at around 1pm. By around 3.30pm we had been pushed off the hill and the front had penetrated to the centre right blue box with a series of barricades built along the route of the railway line (line that crosses river at top left). Some time after this we marched down to the river and around the centre nearly reaching the centre (below) at around 4.30pm. This is where the pink march should have been. Finally we moved to the bottom right and from there back towards the city centre. The dotted line that runs past the centre on the right hand side is the dual carrigeway, the ‘Yellow’ box at the top is the point on the bridge reached by ‘Ya Basta’. This all happened far above our heads. The M beside the centre is the metro station used to ferry the delegates out to the suburbs under the protesters. |
Zurück an der Kreuzung rann inzwischen ein Wasserfluß vom Hügel um die Ecke, wo die ständige Detonation von Blendschockgranaten und gelegentliche Schwaden von Tränengas bestätigten, daß die wütende Schlacht noch andauerte. Auf der Seitenstraße wuchs die Barrikade an und es wurde eine zweite Barrikade auf der Straße errichtet, die durch den Park führte und mit beiden Straßen verbunden war. Auf der Spitze der ersten Barrikade standen einige DemonstrantInnen, die den Polizeiketten mit anarchistischen Fahnen und sogar Stücken von Riotausrüstung der Polizei zuwinkten. Hinter der Barrikade wurden die Fenster einer Einrichtung, die wie eine Bank oder ein Versicherungsbüro aussah, eingeschlagen und DemonstrantInnen kletterten hinein und fingen an, weiteres Material für die Barrikade nach draußen zu reichen.
Währenddessen leisteten im Park am Fuße des Hügels Sani-Teams erste Hilfe an Kopfwunden und offenbar gebrochenen Fingern und sogar Armen. Ich hörte, wie einer Person geraten wurde, sich zu einem Krankenhaus zu begeben. Weniger ernst war ein Strom von Leuten, die sich in der Mitte von Tränengasausbrüchen befunden hatten und deren Augen daher mit Wasser ausgewaschen werden mußten. Einer der Sanis aus dem Blauen Block hat Kommentare an die Indymedia Seiten verschickt, deren Betrachtung ich zustimmen würde, daß eines der bemerkenswertensten Sachen die Disziplin und Kooperation dieser AnarchistInnen war, die aus ganz Europa und von weiter her angereist waren. Aber die Rolle der Sanis war besonders heroisch, da es offensichtlich war, daß die Polizei sie zur ‘Spezialbehandlung’ heraussuchte. Ich sprach mit einem Sani, der, als er einen 50 Jahre alten Anwohner half, der von Tränengas getroffen worden war, wiederholt vom Wasserwerfer beschossen wurde, während er dem alten Mann zu helfen suchte. Noch beunruhigender war sein Bericht, daß ein Krankenwagen sich geweigert hatte, den alten Mann ins Krankenhaus zu bringen.
Während der Demonstrationen am Wochenende waren mir in den verschiedenen Demonstrationen Polizisten in Zivil gezeigt worden. Nachdem sie mir einmal gezeigt worden waren, fielen sie allein aufgrund ihrer Kleidung auf. Während ich im Park war, beobachtete ich, wie eine Gruppe von drei Zivilpolizisten, die hinter den DemonstrantInnen standen, von einigen AktivistInnen vertrieben wurde, die sie gesehen hatten. Später sollten die Zeitungen Photos von anderen dieser Gestalten veröffentlichen, die wie DemonstrantInnen gekleidet waren (mit ausgefransten Wollmützen) und Leute festnahmen. Gerüchte aus anderen Abschnitten besagten, daß einige dieser Gestalten an diesem Tag sogar die Zerstörung von Eigentum an anderen ‘ruhigen’ Orten initiiert hatten. Ich habe keine Ahnung, ob dies stimmt, aber ihre Anwesenheit war ganz offenkundig.
Die Barrikade in der Seitenstraße wurde angezündet, um die Riotpolizei fernzuhalten. Währenddessen erreichte uns die Nachricht, daß eines der Tore im rosa Abschnitt nicht blockiert worden war und daß Verstärkung benötigt würde, um es zu blockieren. Dies würde einen langen und etwas ungeschützten Weg zwischen einem Felsen und einem Fluß bedeuten.
Die schwarz gekleidete ‘anarchistische Samba Gruppe’ formierte sich und führte rund 300 Leute fort, um die Blockade vorzunehmen. Dies verursachte ein paar Meinungsverschiedenheiten, da einige der Zurückbleibenden meinten, daß alle dort bleiben und die Barrikaden verteidigen sollten.
Kurz nachdem sie gegangen waren, zeigte sich an der Ecke am Fuße des Hügels schließlich die Spitze des Wasserwerfers. Die Riotpolizei hatte rund zwei Stunden gebraucht, um die DemonstrantInnen 200m eines steilen Hügels hinunterzutreiben. Nun hatten sie allerdings den weiten offenen Park am Ende erreicht, wo die Gleise und der Felsen eine Art Trichter bildeten, bei dem sich unser Rückzugsweg am schmalen Ende befand. Während sich hunderte von RiotpolizistInnen am breiten Ende formierten, begannen wir einen langsamen Rückzug, der zu einer wilden Flucht zu werden drohte, als sie angriffen, da keiner Lust hatte, im Gedränge gefangen zu werden, das am schmalen Ende des Trichters entstehen könnte. Da der Angriff außerdem diagonal von den Gleisen aus kam, fürchteten diejenigen von uns, die sich auf dieser Seite befanden, dort in die Falle zu geraten.
Doch nach einer kurzen Panik verlangsamten viele den Schritt wieder, wobei dies meines Erachtens der Punkt war, an dem bis zu eintausend Leute beschlossen, daß sie genug hatten und sich zum Stadtzentrum begaben. Als das schmale Ende des Parks erreicht war, wurde die Arbeit des Barrikadenbaus wieder aufgenommen. Ich beschloß, mich zur Blockade der Straße am Fluß zu begeben, teils weil ich hoffte, etwas zu Essen zu bekommen, da ich den ganzen Tag noch nicht gegessen hatte.
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Dies war nicht möglich, da alle Geschäfte, die ich sah, geschlossen waren und mir nicht danach war, an den ca. zwanzig Bullen vorbeizugehen, die in etwa 300m Entfernung auf der zur Stadt zurückführenden Straße zu sehen waren, um einen offenen Laden zu finden. Unsere Reihen hatten sich merklich gelichtet, rund 100 Leute betrieben eine halbherzige Blockade der Straße und errichteten eine Art Barrikade darauf. An einem Punkt schob eine Gruppe einen Wagen zur Barrikade, der aussah, als wäre er aufgegeben worden, da ihm zwei Reifen fehlten. Sie wollten ihn aufs Dach umdrehen, doch andere waren damit nicht einverstanden und erklärten, daß der Wagen aufrecht beinahe genauso effektiv sein würde und daß der/die BesitzerIn ihn auf diese Weise nur leicht beschädigt zurückerlangen könne. Schließlich blieb der Wagen aufrecht und als wir später gezwungen wurden, das Gebiet zu verlassen, sprühte jemand ‘Tschuldigung’ auf die Windschutzscheibe.
Nachdem ich mich hier eine Weile ausgeruht hatte, steuerte ich auf die Stelle zu, an der das Geräusch detonierender Granaten und dichter Rauch verhießen, daß die Auseinandersetzung nach wie vor stattfand. Ich steuerte auf der innenseite der Gleise auf den Park zu, doch eine kleine Gruppe aus entgegengesetzter Richtung warnte uns, daß es in dieser Richtung nichts als brennende Barrikaden und hunderte von RiotpolizistInnen gäbe. Ich wollte gerade zur Kreuzung an der Eisenbahnbrücke zurückkehren, als etwa einhundert Leute auf der anderen Seite der Gleise entlanggerannt kamen.
Es stellte sich heraus, daß die Polizei irgendwo zwei Kreuzungen weiter oben eine weitere Barrikade gestürmt hatte und die Gruppe von dort geflüchtet war. Knapp 150 m entfernt konnten wir an der nächsten Kreuzung eine Gruppe von 100 oder so eilig eine Barrikade errichten sehen, diesmal unter Verwendung von Werbetafeln, die von den Wänden gerissen worden waren. Dann fuhr in einem surreal anmutenden Augenblick eine Oma in einem alten zerbeulten Skoda auf das Gebiet, die DemonstrantInnen vorsichtig umschlingernd. Sie erreichte eine Barrikade, die ihren Fahrtweg blockierte und als sie die brennenden Barrikaden weiter vorne auf der Straße zu ihrer Rechten und die Barrikade am Fluß zu ihrer Linken sah, besann sie sich eines Besseren und bahnten sich einen Weg zurück.
Die Gruppe diskutierte hastig, was als nächstes zu tun sei. Es war offensichtlich, daß das Gebiet, in dem sie sich befand, eingedrückt und sie zum Fluß gedrängt wurden. Uns erreichte die Nachricht, daß die Blockade an anderer Stelle durchbrochen worden wäre (Es war nun etwa 15.30, ich nehme an, daß diese Geschichte Falsch war oder sich auf die kleine Lücke im rosa Sektor bezog, die noch offen war). Die meisten wollten sich erneut gruppieren und zur Stadt zurückgehen, ehe sie eingekreist wurden. Die Diskussion wurde unterbrochen, als eine Limousine plötzlich in weniger als 50 m Entfernung in einer Seitenstraße auftauchte. Rund 50 Leute griffen sie an und während sie hastig im Rückwärtsgang den Weg zurückfuhr, den sie gekommen war, wurde sie mit Pflastersteinen beworfen und mit Stöcken geschlagen. Dann wurde die Debatte erneut aufgenommen.
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Sie beschlossen, daß sie zunächst versuchen würden, die Sektion des Blauen Blocks zu finden, die mit der Samba Gruppe den Fluß entlanggegangen war, da sie fürchteten, daß diese abgeschnitten sein würden, wenn die Polizei den Fluß erreichte. Ein Fahrradfahrer fuhr zur brennenden Barrikade, um denjenigen, die dort waren, mitzuteilen, daß sie sich zurückziehen würden und sie machten sich auf den Weg zur Gruppe am Fluß. Ein stetiger Strom von Leuten war während dieser gesamten Zeit Richtung Stadt aufgebrochen, so daß sich weniger als 200 auf den langen Weg zwischen dem Fluß und dem Felsen machte, auf dessen Spitze das IWF-Zentrum stand.
Dies ist der 3. Teil eines persönlichen Berichtes über die Demonstrationen zur Stillegung von IWF/Weltbank am Dienstag in Prag von einem Mitglied des Workers Solidarity Movement [irische anarchistische Organisation – Anm. d. Ü.], der nahe an der Spite des anarchistischen (blauen) Sektion der Demonstration mitging. Teil 1 und 2 befinden sich unter http://flag.blackened.net/revolt/wsm/news/2000/prague_sept.html [dabei handelt es sich um die englischen Originalfassungen – die deutschen Übersetzungen des befindet sich unter http://www.ainfos.ca/de/ – Anm. d. Ü.]
Nächste Woche werde ich den Bericht auf der Webseite um Bilder vom Blauen Block ergänzen und den Text überarbeiten, um weitere Einzelheiten aufzunehmen.
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Das IWF Kongreßzentrum lag auf einem hohen Felsen zu unserer Linken, ein altes Festungsgelände. Zu unserer Rechten befand sich der Fluß und vor uns ein überwölbter Bogengang im Felsgestein, das bis zum Fluß verlief und durch den die Straße führte. Als wir uns dem Bogen näherten, konnten wir etwa 100 m vor uns zwei Gestalten sehen, die direkt darüber standen. Als erkannt wurde, daß es sich um RiotpolizistInnen handelte, die dort offenbar für den Fall postiert worden waren, daß jemand versuchen würde, die steilen Felsen zu erklimmen, fingen diejenigen an der Spitze des Zuges an, ‘springt, springt’ zu rufen – zunächst auf Englisch und dann auf Tschechisch. Über uns kreiste ein Polizeihubschrauber, der seinen KollegInnen am Boden vermutlich unsere Position durchgab.
Aufgrund der Barrikade hinter uns war die Straße verkehrsfrei – nur ein oder zwei Gruppen von AnwohnerInnen schauten zu, während wir vorbeigingen. Nach etwa 1500 m erreichten wir eine Gabelung, die den Hügel zu unserer Rechten hinauf zum Kongreßzentrum führte und zu einer Wohngegend. Die Straßen hier waren ruhig, das Wetter schön und sonnig und nach kurzer Zeit kamen wir an einem offenen Supermarkt vorbei, wo die Leute Nachschub an Essen und Wasser besorgen konnten. Das Wasser, daß ich mit mir geführt hatte, um Tränengas aus den Augen zu waschen, war inzwischen aufgebraucht und bei dem heißen Wetter machte einen der lange Marsch durstig.
Unsere kleine Kolonne setzte ihren Weg die Straße hinauf fort. Wir waren nun offensichtlich in dem Sektor am Fluß, der Rosa zugeteilt worden war, waren aber bisher nicht auf irgendwelche DemonstrantInnen gestoßen. Als wir die Spitze des Hügels erreichten, konnten wir hinter einer Reihe von Wohnhochhäusern endlich eine andere kleine Gruppe ausmachen. Als wir auf den Zugang zu den Hochhäusern zukamen, schoß plötzlich eine Anzahl schicker Wagen daraus hervor und in eine Seitenstraße. Zurückblickend waren dies mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit Delegierte, die durch den letzten unblockierten Zugang flüchteten.
Ich war zu erschöpft, um den Geschehnissen viel Aufmerksamkeit zu schenken und klappte unter einem Baum zusammen. Ein Typ auf einem Fahrrad erschien und sagte allen, daß die Straße, die hinter den Hochhäusern entlangführte, der letzte noch nicht blockierte Zugang zum IWF Kongreß sei. Etwas zögerlich folgte ich der kleinen Gruppe die Straße hoch, obwohl ich mir dachte, daß es zu diesem Zeitpunkt wohl am klügsten wäre, wegzukommen, ehe die Polizei sich an unserer schwindenden Gruppe austobte.
Nach etwa 200 m erreichten wir den Kamm des Hügels, von wo aus die Straße direkt zum Kongreßzentrum führte. Hier konnte ich das Gebäude erstmals deutlich sehen, diesmal mehr oder weniger auf gleicher Ebene und nicht über die unmögliche Steigung eines Hügels. Es war 200 m entfernt. Und alles, was sich zwischen uns und dem Zentrum befand, war eine einzige Reihe von Polizeibarrikaden auf der anderen Seite einer Kreuzung in 100 m Entfernung.
Dieser Anblick genügte, um die rund 100 verbliebenen maskierten Leute zum Sturm auf die Polizeikette zu animieren. Die blieben für zwei Sekunden stehen und sahen zu, dann wandten sie sich um und rannten ganz bis zum Hotel neben dem Zentrum, um die Ecke und außer Sichtweite. Wissend, daß ein riesiger Gegenangriff unausweichlich war, ging ich zur Kreuzung und noch etwas weiter zurück. Diejenigen an der Spitze erreichten das Hotel, nur wenige Meter vom eigentlichen Zentrum und fingen an, Pflastersteine auf das Gebäude und die Delegierten zu werfen, die von den höhergelegenen Balkons des Hotels zusahen. Später sagte mir eine Person, daß sie es bis zum Zentrum geschafft habe, ehe sie umgekehrt sei.
Hinter mir rief jemand an der Kreuzung ‘schnell, die Polizei kommt zurück’. Ich kehrte zur Kreuzung zurück und tatsächlich: Einige Hundertschaften Riotpolizei liefen auf uns zu. Hinter mir fingen diejenigen am Hotel an, zurückzurennen und ich brauchte nicht lange, um mich ihnen anzuschließen. Als ich über die Schulter zurückblickte, sah ich, wie ein Wasserwerfer um die Ecke des Hotels raste, gefolgt von weiteren hunderten RiotpolizistInnen. Am Ende der Straße schlossen sich ihnen die RiotpolizistInnen an, die wir die Seitenstraße entlanglaufen sehen hatten.
Ein großer Nachteil, den RiotpolizistInnen haben, besteht darin, daß sie mit all ihrer Rüstung nicht sehr lange oder sehr schnell laufen können. Den ganzen Tag über waren Leute 50 m zurückgelaufen, um dann innezuhalten und nachzusehen, ob sie noch verfolgt wurden – diese Art Taktik verhinderte, daß sie uns schon früh am Tag in eine wilde Flucht schlagen konnten. Wir kamen also um die Ecke und erreichten die Spitze eines sehr langen, sehr steilen, grasbewachsenen Abhangs, der neben den Hochhäusern zu der Straße führte, die wir ursprünglich entlanggekommen waren. Hinter uns strömten in weniger als 50 m Entfernung der Wasserwerfer und die ganze Riotpolei um die Ecke.
Ich stürmte mit allen anderen den Pfad hinunter, der in Windungen über die Böschung nach unten führte. Als die Riotpolizei die Spitze des Hügels über uns erreichten, fingen sie an, uns mit Blendschockgranaten zu bewerfen und mit Tränengas zu beschiessen, während wir die Schräge hinabkletterten. Wir schafften es bis zum Fuß des Hügels und sahen uns nach dem nächsten Ort um, zu dem wir rennen könnten, wobei einige nicht warteten, sondern sofort auf eine Straße zusteuerten, die direkt vom Gebäude wegführte.
Als sich die Dinge wieder etwas beruhigt hatten, gingen wir erneut die Straße hoch, die zur Kreuzung führte, hinter der sich die Straße zum Zentrum befand, auf der nun hunderte von RiotpolizistInnen zu sehen waren. Hier stiessen wir auf weitere vermißte Teile des Blauen Blocks einschließlich der anarchistischen Samba Gruppe und beschlossen kollektiv, daß wir verdammt schnell verschwinden sollten, ehe die Riotbullen anfingen, uns zu folgen. Während wir den Hügel hinaufzogen, trafen wir auch endlich mit teilen des Rosa Blocks zusammen, die, wie sich herausstellte, eine gewaltlose Blockade der zweispurigen Fahrbahn durchgeführt hatten, die am Kongreßzentrum vorbeiführte. Bei der Brücke, über die Ya Basta versucht hatte, sich durchzudrücken, handelte es sich um die selbe Fahrbahn auf der anderen Seite des Zentrums.
Als der Abschnitt des überwiegend maskierten, mit wehenden anarchistischen Fahnen ausgestatteten und vielfach Pflastersteine tragenden Blauen Blocks eintraf, kam es zu einer gespannten Situation. Die pazifistische Blockade war offensichtlich nicht daran interessiert, daß dieses Element die freundliche Atmosphäre störte, die sie mit der Polizei aufgebaut hatten und fingen an ‘Bitte setzt Euch – keine Gewalt’ zu skandieren, als wir auf sie zukamen. Ein paar Hitzköpfe auf der blauen Seite warfen einige Pflastersteine über die Köpfe der auf der Straße sitzenden PazifistInnen auf die Kette der Robocops dahinter. Glücklicherweise wurden sie von einigen der kühleren Köpfe im Blauen Block schnell zurückgehalten, ehe die Polizei dies als Vorwand für einen Angriff nutzen konnte.
Zwischen einigen der verrückteren blauen Elemente und den Führern der rosa PazifistInnen auf der Straße brach ein Streit aus. Im hinteren Teil schien es sich um eine Mixtur von LeninistInnen zu handeln und vorne zumeist um sehr junge SchwedInnen. Da ich fand, daß es etwas unangemessen wäre, sie in eine gewaltsame Konfrontation zu verwickeln, die sie nicht wollten, und da ich vollkommen erschöpft war, beschloß ich, mich zumindest für eine Weile mit ihnen auf die Straße zu setzen.
Obwohl die Stimmung noch eine Zeit lang gespannt blieb, wurden keine weiteren Wurfgeschosse geworfen. Der wohl gespannteste Augenblick entstand, als ein Trottel im pazifistischen Mob eine Gruppe dazu bewegte, ‘give peace a chance’ zu singen – ich war mir in diesem Moment sicher, daß dies eine Reaktion derjenigen provozieren würde, die für mehrere Stunden mit Tränengas, Blendschockgranaten, Schlagstöcken und Hunden traktiert worden waren. Doch glücklicherweise hörten sie auf und sangen etwas beschwichtigenderes. Einige der rodyhafteren blauen Elemente bewegten sich nach rechts außer Sicht, während die anarchistischen Fahnen etwas weiter unten auf der Straße blieben. Die PazifistInnen hielten ihre ‘keine Gewalt – bitte setzt Euch’ Rufe noch eine Weile aufrecht, doch schließlich schienen sie damit zufrieden, daß die unmittelbare Gefahr weitergezogen war.
Außer Sichtweite ging zu unserer Rechten offenbar etwas vor, da erst die selben Rufe zu hören waren und dann ein großer Trupp Riotpolizei hinter einer Barriere hervorsprintete, um einige Minuten später wieder dorthin zurückzukehren.
Ich blieb etwa eine halbe Stunde beim pazifistischen Protest, teils weil die Polizei plötzlich einen Wasserwerfer auffuhr und die weiß behelmte RiotpolizistInnen in der ersten Reihe durch identische Robocops mit schwarzen Helmen austauschte. Ich nahm an, daß die schwarz behelmten eine Art schwerere Einheit wären und beschloß, dazubleiben und mich zur Not festnehmen zu lassen, falls sie in den pazifistischen Protest eindrangen.
Die Führer des pazifistischen Rosa Blocks gingen nach vorne und sprachen mit einigen Führern der Riotpolizei. Sie kündigten dann an, daß es auf einer Seite eine Affinitätstreffen geben würde, und daß jede Affinitätsgruppe ihreN SprecherIn dorthin schicken sollte. Die Bullen entspannten sich etwas und kehrten zum ‘Bereitschaftsblick’ zurück, statt des ‘gleich stürmen wir’ Blicks, den sie einige Minuten zuvor aufgesetzt hatten. Dann wurden die schwarz behelmten PolizistInnen rausgenommen und durch weiß behelmte ersetzt. An diesem Punkt fingen die PazifistInnen tatsächlich an zu applaudieren – ich bin gezwungen, anzunehmen, daß dies den Riotbullen galt!! Offenbar waren sie erstaunlicherweise trotz der ständigen Geräusche von Blendschockgranaten und der Tränengaswolken, die von den anderen Sektionen kamen, nach wie vor im bullenfreundlichen Modus.
Später erfuhr ich, daß es Verhandlungen mit einer der Blockaden gegeben hatte, um die Speise- und GetränkelieferantInnen und andere ArbeiterInnen aus dem Zentrum zu lassen. Ich nehme an, daß ich dem beigewohnt hatte, aber ich bewegte mich an diesem Punkt weg, da das ganze Geklatsche mich überzeugt hatte, daß ich mit diesen Leuten nicht festgenommen werden wollte.
Ebenfalls zu dieser Zeit begann die Nachricht herumzugehen, daß die Polizei den Delegierten mitgeteilt hatte, daß die Oper an diesem Abend abgesagt würde, da sie nicht für ihre Sicherheit im Stadtzentrum garantieren könnten. Da die Verhinderung der Oper das erklärte Ziel der Blockade war, waren wir erfolgreich – allerdings nicht durch eine gewaltlose Sitzblockade – die Delegierten wären unterirdisch über die Metro rausgekommen – sondern indem wir die Polizei verschlissen hatten.
Während ich meinen langen Weg durch das Stadtzentrum fortsetzte, holte ich noch einmal den Blauen Block ein, der diesmal auf einer Seitenstraße, die von einer Hauptstraße mit Straßenbahngleisen abzweigte, eine offene Schlacht führte. Sie waren erneut auf vielleicht 300 angewachsen, doch das erschien immer noch wie eine lächerlich geringe Zahl, um es mit 11.000 RiotpolizistInnen aufzunehmen.
Auf der anderen Seite der Hauptstraße beobachtete eine große Anzahl TschechInnen den Verlauf des Riots. Plötzlich schwenkte ein Wagen auf der Straße vor mir absichtlich in eine Gruppe Demonstrierender an der Straßenseite, möglicherweise ein Angriff von FaschistInnen, die während des gesamten Wochenendes auf der Suche nach Opfern rumhingen. Was auch immer die Ursache gewesen sein mag, die Resultate waren interessant – die TschechInnen auf der anderen Straßenseite fingen alle an zu rufen und auf den schuldigen Wagen zu zeigen. Dies ermöglichte es einer kleinen Gruppe, die weiter vorne auf der Straße Pflastersteine aufgesammelt hatte, den Wagen zu steinigen während er davonjagte.
Danach rissen einige DemonstrantInnen die langen Geländer, welche die Straße vom Bürgersteig trennten heraus und stellten sie so auf, daß sie die Straße blockierten. Zu diesem Zeitpunkt sah ich, wie ein ‘pathologischer Pazifist’ auf Englisch einem Fernsehteam ein Interview gab (vom Akzent her stammte er aus den USA), in dem er sagte, daß all diese Krawallmacher nichts mit den Protesten zu tun hätten – eine Linie, die später von einigen der INPEG OrganisatorInnen aufgegriffen werden sollte. Währenddessen führten in einigen hundert Metern Entfernung einige hundert dieser Krawallmacher, die anscheinend über Nacht aus dem Boden gesprossen waren, die Schlacht mit der Polizei fort.
Nun brach die Dämmerung herein und es bestand ein deutliches Gefühl, daß wir die Blockade beenden und uns in die Stadt begeben sollten, ehe der unausweichliche Polizeikrawall ausbrach. Die anarchistische Samba Gruppe tauchte wieder auf und nahezu alle schlossen sich ihnen an. Jetzt geschah etwas interessantes, denn die Zahl derer, die in die Stadt zurücklief, wuchs rasch wieder auf etwa 2.000 an, wobei alle sichtbaren Fahnen und Transparente anarchistisch waren.
Die Barrikaden zurücklassend gingen wir in einer großen Kolonne in die Innenstadt. An der Spitze spielte die Samba Gruppe (sehr gut) und dies sowie die autofreien Straßen verwandelten die Demonstration in einen Siegeskarneval. Als wir an den Wohnhäusern auf beiden Seiten der Straße entlangzogen, traten Leute auf ihre Balkons um diese merkwürdige Prozession zu betrachten und viele von ihnen winkten uns zu. Meine Erschöpfung löste sich auf, plötzlich fühlten wir uns, als hätten wir die Kontrolle über die Straßen, und das hatten wir auch tatsächlich – abgesehen vom allgegenwärtigen Hubschrauber war Kilometer auf Kilometer nicht ein einziger Bulle zu sehen.
Als die Dunkelheit hereinbrach fing ein Feuerspucker irgendwo am vorderen Teil des Zuges mit einer Darbietung an und die Samba Gruppe fiel in einen leichten Rhythmus ein. In den Pausen riß die Menge ihre Fäuste in die Luft und rief ‘hey’. Als wir auf stehengebliebene Straßenbahnen zukamen und die FahrerInnen zwangsläufig ihre Glocken zum Gruß erklingen ließen, fing alles an, einer Szene aus einem Eisenstein Film zu gleichen. An der Seite des Zuges zerstörten maskierte Personen die Fenster der Banken, an denen wir vorbeigingen, doch insgesamt hatte der Geist der Konfrontation, der den ganzen Tag über angehalten hatte, sich in der Freude des Sieges aufgelöst.
Nach einem langen Marsch erreichten wir das obere Ende des Wentzelsplatz, wo einige an der Spitze des Zuges schnell McDonalds zerschlugen. Es kam zu einem kurzen Rückzug, als einige PolizistInnen den Platz hochstürmten, doch verwandelte der sich schnell in einen Agriff als erkannt wurde, daß es nur zwanzig waren. Die Leute strömten dann auf den Platz, wo sie sich mit TschechInnen, TouristInnen und anderen DemonstrantInnen vermischten, die bereits dort waren. Am oberen Ende des Platzes war die Terasse des Nationalen Museums voll von Leuten, die das Ereignis betrachten wollten.
Einige Zeit nach uns traf ein neuer Zug von einigen hundert auf den Straßen ein, die zum oberen Ende des Platzes führten. Sie bekamen zunächst Beifall, bis sich zeigte, daß diejenigen an der Spitze ‘keine Gewalt’ riefen und offenbar den ganzen Weg von der rosa Blockade zurückgelegt hatten, um alle anderen zu überwachen. Sie wurden meist ignoriert und ich amüsierte mich, als der selbe ‘pathologische Pazifist’ aus den USA, den ich mit dem Fernsehteam bei der letzten Blockade hatte sprechen sehen, eine große Schau für die Kameras aufzog, indem er sich vor das McDonalds stellte, als würde er es verteidigen – eine sinnlose Übung, da kaum etwas übrige geblieben war, das sich hätte verteidigen lassen und keiner da war, vor dem es hätte verteidigt werden können.
Ich beschloß, daß es Zeit war zu gehen, und bahnte mir den Weg zur Metrostation am unteren Ende. Ohne daß wir es wußten, hatte der IWF beschlossen, die Oper an einem anderen Ort durchzuführen, am Ausstellungszentrum. Dies wurde jedoch bemerkt und eine Reihe von Delegiertenbusen auf dem Weg zu dem neuen Ort mit Farbbomben angegriffen, so daß auch dies abgesagt werden mußte. Der IWF und seine BeschützerInnen hatten eine doppelte Erniedrigung erlitten.
Als wir die Mitte des Platzes erreichten, bemerkten wir plötzlich, wie hunderte von weißen Helmen ins untere Ende des Platzes strömten und den langen Sturm auf den oberen Teil begingen. Nun materialisierte sich der lange erwartete Polizeikrawall. Da die Delegierten wieder in ihren Hotels waren, war die Polizei nun entschlossen, als Rache alle festzunehmen und zu traktieren, die sie kriegen konnten. Wir beschlossen, zum oberen Ende des Platzes zurückzukehren und dann durch irgendeine Straße wegzukommen.
Wir zogen uns zurück – unser Vorsprung zur Polizeiwelle war groß genug, um dies in Ruhe zu tun – wir kamen am pazifistischen Block vorbei, der vor dem Museum nach wie vor ‘keine Gewalt’ rief. Als wir vorbeigingen sagte ich denen, die am Rand standen, daß die Riotpolizei unterwegs sei und es das klügste wäre, verdammt schnell zu verschwinden. Für diesen Rat wurde ich lediglich perplex und feindselig angestarrt und da ich nicht die Absicht hatte, einen längeren Aufenthalt einzulegen, um das Thema auszudiskutieren, ging ich weiter.
Einige huntert Meter die Straße runter blickte ich gerade zurück auf den Platz als eine riesige Salve Tränengas und Blendschockgranaten auf die Fassade des Nationalen Museums prasselte, genau dort, wo die PazifistInnen und hunderte von TschechInnen sich aufgehalten hatten. Ein Tscheche, mit dem ich unterwegs war, bemerkte, daß das Nationale Museum erstmals seit der russischen Invasion von 1968 unter Beschuß geriet. Es war definitv an der Zeit, nach Hause zu gehen!
Vorbemerkung: Der folgende AugenzeugInnenbericht wurde ursprünglich von Revolt.News@pmail.net an den internationalen libertären Nachrichtenservice A-Infos (http://www.ainfos.ca/) verschickt. Die Übersetzung aus dem englischen Original stammt von i-afd_2@anarch.free.de . Ich leite den Text hierher weiter, da er eine genauere und sachlichere Darstellung der Vorbereitung, der Ziele und der Vorgehensweise des Blauen Blocks darstellt, als der unter dem Titel "Internationale Autonome drücken dem S26 ihren Stempel auf" bereits veröffentlichte Beitrag. Insbesondere zeigt er, daß das Vorgehen des Blauen Blocks in die Absprachen zur Durchführung der Demonstration eingebunden war, die eine Vielfalt unterschiedlicher Aktions- und Protestformen von symbolischen Aktionen über gewaltfreien Widerstand bis hin zu direkter Konfrontation gewährleisten sollten, so daß von Vereinnahmung überhaupt keine Rede sein kann. (Wintermute)
Translation: by Wintermute 10:34am Sun Oct 1 ’00 winter-mute@gmx.net